Revolution um deutsche Balkonkraftwerke??

CarpeDiem Energy Volxpower
2023-01-22 13:21:00 / Neuheiten

Revolution um deutsche Balkonkraftwerke??

Paul Wieland, CarpeDiem Energy, 20.01.2023

Man traute schon seinen Augen nicht mehr, als eine VDE-Arbeitsgruppe am 11.01.2023 ein „Positionspapier“ zu Steckerfertigen PV-Anlagen (… Balkonkraftwerke…) veröffentlichte!

In dem Papier wurden 5 wesentliche Punkte zur vereinfachten Zulassung / Anmeldung / Betrieb von Stecker-PV-Anlagen gefordert, die teilweise deutlich über die Vereinfachungen hinausgehen, die die Stecker-PV-Befürworter seit vielen Jahren gefordert hatten:

  1. Einführung einer Bagatellgrenze bis 800 W auf Basis der europäischen RFG-Verordnung (die 2016 auf europ. Ebene einführt wurde – aber bisher nicht in nationales Recht übernommen wurde…). Bis zu dieser max. Einspeiseleistung sollten die folgenden vereinfachten Verfahren gelten.

  2. Mini-Energieerzeugungsanlagen dürfen an jedem Zählertyp verwendet werden

    Also auch an rücklaufenden Ferraris-Stromzählern; dies wird von einigen Netzbetreibern inzwischen schon praktiziert, da in absehbarer Zeit überall rücklaufgesperrte, elektronische Stromzähler installiert werden.

  3. Vereinfachte Anmeldung und Inbetriebsetzung von Mini-Energieerzeugungsanlagen

    Die Anmeldung soll nur noch durch eine (Internet-) Anmeldung bei der Bundesnetzagentur erfolgen. Keine Anmeldung mehr beim Netzbetreiber.

  4. Duldung des Schukosteckers als Steckvorrichtung für die Einspeisung bis 800 W

    Keine zwangsweise Einspeisung über eine gesonderte Einspeisesteckdose („Wieland-Dose“). Dadurch ist auch keine Elektrofachkraft mehr für die Montage dieser Dose notwendig.

  5. Sicherheitsvorgaben für Mini-Energieerzeugungsanlagen. Allgemeine Sicherheitsvorgaben vor allem auch im Bereich der mechanischen Montage etc.

Vor allem der 1. und 4. Punkt dieser Forderungen ist seit vielen Jahren Kern intensiver Diskussionen und Auseinandersetzungen zwischen:

den Befürwortern einer vereinfachten Anwendung von Stecker-PV-Anlagen

(viele Hersteller und Anbieter, viele Umweltschutzgruppen, einige wissenschaftliche Institute, viele Verbraucherschutzorganisationen, quasi alle aktuelle und potentielle Nutzer von Stecker-PV-Anlagen)

und den Gegnern einer deutlichen Vereinfachung

(viele etablierte Kreise im Normungsprozess des VDE, Zentralverband des deutschen Elektrohandwerks; deutsche Versicherungswirtschaft; viele Netzbetreiber, organisiert im FNN).

Diese einflußreichen Kreise beherrschen quasi den Normungs- und Zulassungsprozess in Deutschland und blockieren an vielen Stellen Vereinfachungen und sinnvolle Regelungen für Stecker-PV-Anlagen, die zu teilweise absurden Vorgehensweisen führen...

Der „Sprengstoff“ des VDE-Papiers ist also, dass nun aus dem Kernkreis der bisherigen Blockierer wesentliche Forderungen zu einer Vereinfachung laut werden. Eine wirkliche Revolution.

Doch wer nun glaubt, dass sich dadurch in absehbarer Zeit (sagen wir mal, in einem oder zwei Jahren) diese Forderungen auch in den offiziellen Zulassungsregeln, also im „legalen“ Betrieb einer Stecker-PV-Anlage wiederfinden, hat nicht mit den enormen Beharrungskräften des Systems gerechnet:

Schon wenige Tage nach Veröffentlichung des Positionspapiers formierte sich Widerstand in Form eines offenen Briefes des früheren Vorsitzenden eines VDE-Normungskreises, Bernd Siedelhofer (ein bereits in der Vergangenheit ausgewiesener Gegner einer vereinfachten Anwendung von Stecker-PV-Anlagen!) der

- vereinfacht gesagt, dem Autorenkreis des VDE-Positionspapiers die Kompetenz für derartige Veröffentlichungen abspricht

- den Autoren eine Irreführung der Öffentlichkeit vorwirft („Es ist derzeit nicht absehbar, dass die angesprochenen Punkte zur "Vereinfachung der Voraussetzungen" tatsächlich umgesetzt werden. Insofern wird eine Erwartungshaltung erzeugt, deren Erfüllung sehr unwahrscheinlich ist.“)

- europäische Regelungen für eine 800W-Grenze als „physikalisch nicht begründbar und somit strikt abzulehnen“ bezeichnet

- die Einspeisung über einen Standard-Schuko-Stecker als nicht akzeptabel bezeichnet und behauptet: „Ein Anschluss von Erzeugungsanlagen über einen nicht berührungsgeschützten Stecker ist in keinem Fall akzeptabel. Dies wird nicht umsonst von geltenden nationalen und internationalen Sicherheitsbestimmungen ausgeschlossen“… Dabei kennen wir doch die Praxis, wie dies in Österreich, der Schweiz, Niederlande, Dänemark… etc. gehandhabt wird…. Weiterhin gibt es Untersuchungen z.B. des Fraunhofer ISE- Instituts, die das Risiko einer Einspeisung über den Schuko-Stecker für absolut akzeptabel halten.

Meine Empfehlung zu dem Thema ist:

Eine (wünschenswerte!) Vereinfachung von Zulassung/Anmeldung/Betrieb von Stecker-PV-Anlagen wird auf absehbare Zeit in Deutschland nicht kommen. Dazu haben wir zuviele Lobbyisten und Bedenkenträger, die dies blockieren.

Schauen Sie insbesondere für sich, dass die Anlage technisch sauber und sicher montiert und betrieben wird! Holen Sie sich im Zweifelsfall den Rat eines Fachmanns (… nicht nur des Internets …) ein.

Wenn Sie Ihre Stecker-PV-Anlage dann legal betreiben wollen und damit bei Ihrem Netzbetreiber anmelden wollen, dann werden Sie an den geltenden Regeln nicht vorbeikommen. Allerdings sind die derzeitigen Hürden jetzt auch nicht so hoch, dass Sie nicht doch viele Vorteile aus dem Betrieb einer Stecker-PV-Anlage ziehen!

Wenn Sie für sich entscheiden, dass Sie die Anlage nicht anmelden wollen, dann sind Sie frei in der Auswahl und dem Aufbau Ihrer Stecker-PV-Anlage – aber auch selbst für die Folgen verantwortlich. Gehen Sie ein Risiko nur dann ein, wenn Sie es auch abschätzen können.


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